Dr. Félix Krawatzek und Prof. Dr. Gwendolyn Sasse

Auswanderung während des Krieges: Eine neue Generation russischer Migrant*innen

Dr. Félix Krawatzek und Prof. Dr. Gwendolyn Sasse

Auswanderung während des Krieges: Eine neue Generation russischer Migrant*innen

Flüchtende Menschen aus Russland befinden sich auf dem Weg zur georgischen Grenze, um ihr Land zu verlassen. Wladikawkas, September 2022. IMAGO / ITAR-TASS

Projektbeschreibung

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat zu einer erheblichen Auswanderung aus Russland geführt. Seit Februar 2022 haben mehrere Hunderttausend russische Staatsbürger*innen die Russische Föderation verlassen und sich an Orten niedergelassen, die zuvor eine starke Abwanderung, oft in Richtung Russland, erlebt hatten. Georgien und Armenien sind beliebte Ziele für russische Migrant*innen, entweder als vorübergehende Zwischenstation oder für eine dauerhafte Neuansiedlung; andere sind in die Türkei und in Länder Zentralasiens gegangen.

Junge Menschen aus Städten mit höherem Bildungsniveau sind in dieser Migrationswelle überproportional vertreten. Dennoch ist wenig über das soziodemografische Profil, die politischen Einstellungen und Netzwerke dieser neuen Migrant*innen bekannt. Da ihre Anwesenheit in ihren derzeitigen Zielländern bereits spürbar ist, könnten sie sowohl in den Aufnahmegesellschaften als auch in Russland zu dauerhaften Veränderungen beitragen. Außer Zweifel steht, dass die Abwanderung erhebliche Auswirkungen auf den russischen Arbeitsmarkt hat.

Der hohe Anteil junger Männer unter denjenigen, die Russland verlassen haben, deutet darauf hin, dass der Wunsch, der Einberufung zu entgehen, eine wichtige Motivation für diese Migration war. Politische Opposition gegen den Krieg, Angst vor Repressionen und eine negative Einschätzung der eigenen Lebensperspektiven sind weitere Push-Faktoren. Die Zielländer unterscheiden sich in entscheidenden Aspekten: Die meisten von ihnen waren für die Migrant*innen leicht erreichbar, einige haben ihre eigenen etablierten russischsprachigen Gemeinschaften, und sie umfassen Regimetypen von unkonsolidierten Demokratien bis hin zu (halb-)autoritären Systemen. Sie unterscheiden sich auch in ihrer politischen Positionierung gegenüber Russland: von Georgien, das selbst einen Krieg gegen Russland geführt hat, über Armenien, das auf russische Unterstützung im anhaltenden Konflikt mit Aserbaidschan angewiesen ist, bis hin zu anderen autoritären und in einigen Fällen ressourcenreichen Ländern, deren Beziehungen zu Russland bisher zurückhaltend oder gut waren.

Angesichts dieser Vielfalt zielt dieses Projekt darauf ab, systematische Daten über die Charakteristika, Einstellungen, Erwartungen und Verhaltensweisen dieser neuen Generation von Migrant*innen zu sammeln. Konzeptionell stützt es sich auf die multidisziplinäre Literatur über Migration und Vertreibung, die Einstellungen und das Verhalten junger Menschen sowie Fragen des generationenübergreifenden Wandels.

Methodik

  • Face-to-Face-Umfragen unter neuen russischen Migrant*innen in Armenien, Georgien, Aserbaidschan, der Türkei, Kasachstan und Kirgistan auf der Grundlage verschiedener Rekrutierungstechniken (Straßenbefragung, Schneeballsystem, Paneldatenbank, Ankündigungen in sozialen Netzwerken)
  • Vergleichende Analyse mit anderen Umfragen (z. B. Levada)
  • Qualitative Forschung über den Kontext in den Zielländern

Kernfragen

  • Wie sieht das soziodemografische Profil der Migrant*innen, die Russland nach dem Februar 2022 verlassen haben, im Vergleich zu dem der etablierten russischen Gemeinschaften aus?
  • Welche lokalen und transnationalen Netzwerke russischer migrantischer Gemeinschaften gibt es?
  • Welche zentralen Muster zeichnen sich in den politischen Ansichten der neuen Migrant*innen ab?
  • Wie prägen die neuen russischen Migrant*innen die Gesellschaften ihrer Gastländer? Versuchen sie auch, die Entwicklungen in Russland zu beeinflussen?
  • Wie kann man diese Generation von Migrant*innen und die Rolle, die sie für Russland und/oder die Aufnahmegesellschaften spielen, am besten konzeptualisieren?

Projektleitung

Leitung Forschungsschwerpunkt
Jugend und generationeller Wandel
Ombudsperson für die Wissenschaft
Wissenschaftliche Direktorin
Einstein-Professorin für Vergleichende Demokratie- und Autoritarismusforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin