Dr. Tatiana Golova

Postsowjetische Migrant*innen in Deutschland und transnationale Social-Media-Öffentlichkeiten

Dr. Tatiana Golova

Postsowjetische Migrant*innen in Deutschland und transnationale Social-Media-Öffentlichkeiten

Tatiana Golova

Projektbeschreibung

Das Projekt nähert sich der Mediennutzung russischsprachiger Migrant*innen, wobei eine Netzwerkanalyse der Kommunikation auf dem russischen sozialen Netzwerk VK.com im Mittelpunkt steht und in Bezug zu Russlands Soft Power in Europa gesetzt wird. Die Soziologin Tatiana Golova untersucht, wie offene Gruppen und sogenannte Public Pages, die mit russischsprachigen Migrant*innen in Deutschland verbunden sind, mit anderen kollektiven Ressourcen in Deutschland, in Russland und im weiteren postsowjetischen Raum interagieren. Insbesondere im Kontext der Bundestagswahlen 2017 und der Mobilisierung russlanddeutscher Wähler*innen durch Rechtspopulisten hat die Leitfrage dieses Projektes, inwiefern sich unter Beteiligung von in Deutschland lebenden postsowjetischen Migrant*innen politisierte Kommunikationsnetzwerke zwischen Deutschland und Russland entwickeln, an Relevanz gewonnen.

Hierfür werden Netzwerke von offenen Gruppen und Public Pages von postsowjetischen Migrant*innen und anderen auf Deutschland bezogenen Akteur*innen anhand von Reposts, das heißt erkennbaren Übernahmen von Inhalten anderer Accounts, rekonstruiert. Dadurch konnten sowohl Informationsflüsse zwischen „Ost“ und „West“ als auch Verflechtungen zwischen politisierten postsowjetisch-migrantischen Gruppen und deutschen Akteur*innen der radikalen Rechten empirisch gezeigt werden, durch die transnationale illiberale Publika entstehen. Die Positionen politischer Subnetzwerke stimmen dabei im Wesentlichen mit offiziellen russischen Diskursen überein, bezogen unter anderem auf die konservative und illiberale Kritik am „Westen“, Euroskeptizismus und die vom russischen Staat unterstützten separatistischen Mobilisierungen und Pseudo-Staaten in der Ostukraine. 

Die Soft Power autoritärer Staaten funktioniert auf sozialen Netzwerken, so argumentiert Tatiana Golova, nicht ausschließlich bzw. nicht primär als staatlich dirigiertes Eindringen in einen weiteren nationalen Cyberspace. Die transnationale Expansion russischer sozialer Netzwerke geht vielmehr auf das Handeln verschiedener, darunter diasporischer, Akteur*innen zurück und bedeutet die Schaffung komplexer Kommunikationsräume, die zugleich Ressourcen für Russlands Soft Power bieten –  indem sich hegemoniale Diskurse und populäre Narrative auf einem vom russischen Staat regulierten digitalen Medium über sein Territorium hinaus ausweiten. Der Einfluss Russlands wird im Projekt nicht anhand politischer Doktrinen wie dem Konzept der Russian World zur Popularisierung der russischen Kultur und Sprache im Ausland oder gezielter Desinformationskampagnen untersucht, sondern anhand der Rekonstruktion des transnationalen Informationsflusses. Die Analyse horizontaler Konstruktionen von Kommunikationsräumen und damit von Soft-Power-Ressourcen stehen dabei im Vordergrund. Der Informationsfluss kann, wie das Projekt empirisch zeigt, in multiple Richtungen laufen, während „einheimische“ und „transnationale“ Publika sich im Rahmen einzelner Arenen vermischen. 

Kernfragen

  • Wie ist transnationaler Informationsfluss zwischen dem postsowjetischen Raum und Deutschland auf sozialen Netzwerken organisiert und welche Social-Media-Öffentlichkeiten entstehen dabei? 
  • Welche Gruppentypen zu welchen Themen und welche Subnetzwerke lassen sich auf VK.com mit Bezug auf postsowjetische Migrant*innen und dem Russland-Deutschland-Kontinuum identifizieren? 
  • Wie transnational sind diese Kommunikationsstrukturen gemessen an ihren Repost-Quellen und der Mitgliedschaftsstruktur relevanter Gruppen?
  • In welchem Verhältnis stehen politische Positionen zu offiziellen russischen Diskursen sowie zu verschiedenen politischen Akteuren in Deutschland?

Projektleitung