The Political Force of Memory
Was als politisches Ereignis gilt, ist eine Kernfrage der Sozial- und Geschichtsforschung. In einem neuen Artikel, der in dem Journal Comparative Studies in Society and History erschien, argumentieren Félix Krawatzek und Friedemann Pestel, dass die Verwendung zeitlicher Strukturen in Erzählungen über politische und soziale Entwicklungen wesentlich zur Entstehung und Auflösung von Ereignissen beiträgt. Sie zeigen, wie Argumentationsstränge, die sich auf die Geschichte stützen, eine besonders wichtige Rolle spielen, wenn es gilt das alltägliche politische Geschehen in erkennbare Ereignisse mit einer klaren Zeitspanne umzuwandeln. In diesem Sinne untersuchen sie das Brexit-Referendum von 2016 als ein Ereignis, das umfangreiche Debatten sowohl über Europas Erfahrungen mit der Vergangenheit als auch über die politischen Erwartungen an seine Zukunft ausgelöst hat. Die widersprüchlichen Einschätzungen der Geschichte sind entscheidend für das Verständnis, wie und wann der Brexit zu einem Ereignis von europäischer Bedeutung wurde und warum er dann aufhörte, dies zu sein. Dieser Fall ermöglicht es ihnen auch, klarer zwischen dem akteurszentrierten Fokus auf das Ereignis selbst und der analytischen Ex-post-Bewertung als kritischem Punkt zu unterscheiden. Methodisch demonstriert der Artikel den Wert eines multiperspektivischen Ansatzes für qualitative Analysen mit dem Schwerpunkt auf Brexit-Narrativen, die in mehreren EU-Ländern und im Vereinigten Königreich zum Ausdruck gekommen sind.