Gute Wissenschaftliche Praxis
Richtlinie zur Sicherung Guter Wissenschaftlicher Praxis und zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten am Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien
Präambel
Das Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS) ist ein unabhängiges, internationales, öffentlich finanziertes Forschungsinstitut. Es konzentriert sich auf die gesellschaftsrelevante sozialwissenschaftliche Forschung zu Osteuropa und die Vermittlung der Ergebnisse an Politik, Medien und die breite Öffentlichkeit.
Mit der verfassungsrechtlich garantierten Freiheit der Wissenschaft ist untrennbar eine entsprechende Verantwortung verbunden. Wissenschaftliche Redlichkeit bildet die Grundlage einer vertrauenswürdigen Wissenschaft. Sie ist ein zentrales Element der wissenschaftlichen Selbstverpflichtung, die den respektvollen Umgang miteinander, mit Studienteilnehmer*innen, Kulturgütern und der Umwelt umfasst und das Vertrauen der Gesellschaft in die Wissenschaft fördert. Sie ist ethische Norm wissenschaftlichen Handelns aller Wissenschaftler*innen, aber auch der Wissenschaftseinrichtungen. Die Wissenschaft selbst gewährleistet durch redliches Handeln sowie durch organisations- und verfahrensrechtliche Regelungen gute wissenschaftliche Praxis.
Diese Richtlinie folgt maßgeblich dem Kodex Leitlinien zur Sicherung Guter Wissenschaftlicher Praxis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) vom August 2019 und versteht sich als ihre institutsspezifische Präzisierung und Ergänzung. Formulierungen des Kodex sind teils mittelbar, teils unmittelbar in diese Richtlinie eingegangen.
Zur Wahrnehmung seiner Verantwortung in der Forschung und der damit verknüpften Satzungsaufgaben hat das ZOiS Verfahren zur Ahndung wissenschaftlichen Fehlverhaltens getroffen. Das ZOiS gewährleistet somit den verantwortungsvollen Umgang mit und die zweckmäßige Verwendung von öffentlichen Mitteln und sonstigen Zuwendungen und garantiert die Einhaltung wissenschaftlicher Standards.
Alle Mitarbeiter*innen des ZOiS sind in ihrem wissenschaftlichen Handeln dieser Richtlinie verpflichtet.
Teil 1 - Prinzipien der Guten Wissenschaftlichen Praxis
Die Prinzipien Guter Wissenschaftlicher Praxis zielen auf die Redlichkeit wissenschaftlichen Handelns – der Erzielung von Forschungsergebnissen und deren Veröffentlichung – ab.
Alle Wissenschaftler*innen des ZOiS sind verpflichtet, die Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis und des wissenschaftlichen Arbeitens, unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Fachgebiets, einzuhalten. Zu den Prinzipien guter wissenschaftlicher Praxis zählen insbesondere:
- lege artis zu arbeiten,
- alle Resultate vollständig zu dokumentieren,
- die Validität und Reproduzierbarkeit des Forschungsdesigns und aller Forschungsergebnisse konsequent zu überprüfen,
- einen kritischen Diskurs in der wissenschaftlichen Gemeinschaft zuzulassen,
- eine strikte Ehrlichkeit im Hinblick auf die eigenen und die Beiträge Dritter zu wahren,
- wissenschaftliches Fehlverhalten zu vermeiden und ihm vorzubeugen.
Am ZOiS tragen Wissenschaftler*innen aller Karrierestufen die Verantwortung für die Einhaltung der Grundsätze und Standards des wissenschaftlichen Arbeitens. Diese Verantwortung wird insbesondere dem wissenschaftlichen Nachwuchs zum frühestmöglichen Zeitpunkt vermittelt. Dazu stehen alle Wissenschaftler*innen in einem regelmäßigen Austausch und aktualisieren den fachspezifischen Wissensstand zu den Standards guter wissenschaftlicher Praxis und zum Stand der Forschung.
Die Institutsleitung schafft die rechtlichen und ethischen Rahmenbedingungen für wissenschaftliches Arbeiten. Sie vermittelt die Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis und überwacht ihre Einhaltung. Zu ihren Leitungsaufgaben zählt auch die Unterstützung aller wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen in Bezug auf ihre wissenschaftlichen Karrieren. Dies umfasst transparente und schriftlich dokumentierte Verfahren bei der Personalauswahl und -entwicklung sowie die angemessene Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Das ZOiS versteht sich als ein Ort der Vereinbarkeit von beruflichem und privatem Leben; die Institutsleitung achtet auf die Gleichstellung der Geschlechter und auf Vielfältigkeit (Diversity).
Forschungsschwerpunktleiter*innen sowie Projektleiter*innen tragen die Verantwortung für ihre Arbeitseinheit. Sie schaffen die Rahmenbedingungen für die nötige Zusammenarbeit, bei der jedes Mitglied eines Forschungsschwerpunktes und eines Projektes seine Rolle, Aufgaben und Rechte kennt. Bei ihren Leitungsaufgaben legen die Forschungsschwerpunktleiter*innen und Projektleiter*innen l einen besonderen Fokus auf die individuelle Betreuung des wissenschaftlichen Nachwuchses sowie die Karriereförderung des wissenschaftlichen und wissenschaftsakzessorischen Personals. Der wissenschaftliche Nachwuchs genießt ein der Karrierestufe angemessenes Verhältnis von Unterstützung und Eigenverantwortung. Potentiellen Abhängigkeiten sowie Machtmissbrauch wird durch formalisierte Dialog- und Austauschformate zwischen den wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen, den Forschungsschwerpunktleiter*innen und der Institutsleitung entgegengewirkt.
Die Institutsleitung des ZOiS legt der Leistungsbewertung seiner wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen verschiedene Kriterien zugrunde. Die Beurteilung erfolgt zuvorderst unter qualitativen Gesichtspunkten. Quantitative Aspekte spielen eine nachgeordnete Rolle. Neben der rein wissenschaftlichen Leistung werden auch Aktivitäten wie die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, Lehre – soweit durch die Hochschulen ermöglicht – und Wissenschaftskommunikation berücksichtigt. Hierüber werden individuelle Vereinbarungen mit allen wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen getroffen.
Teil 2 – Forschungsprozess
- In allen Phasen des Forschungsprozesses sind die wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen gehalten, lege artis zu arbeiten. Das ZOiS als multidisziplinär angelegtes Forschungsinstitut legt besonderen Wert auf die Einhaltung der jeweiligen fachspezifischen Standards und etablierten Methoden. Replikation und Replizierbarkeit sind zentrale Elemente der Qualitätssicherung von Erkenntnissen. Alle im Forschungsprozess verwendeten Quellen, Daten sowie die Forschungssoftware werden kenntlich gemacht und zitiert. Die Wissenschaftler*innen des ZOiS sind dazu angehalten, die Nachnutzung ihrer Forschungsdaten und Materialien im Datenmanagementplan ihres jeweiligen Projektes zu belegen. Für die rechtskonforme Nachnutzung bestimmter Forschungsergebnisse werden den wissenschaftlichen Standards entsprechende Lizenzen vergeben. Der hohe Anspruch der Qualitätssicherung erstreckt sich auch auf alle Formen des Öffentlich-zugänglich-Machens von Forschungsergebnissen. Sollten trotz der qualitätssichernden Maßnahmen nach einer Veröffentlichung Unstimmigkeiten bzw. Fehler zutage treten, müssen die Irrtümer bzw. Fehler umgehend berichtigt oder die Veröffentlichung zurückgezogen werden. Hinweise Dritter sind dabei zu berücksichtigen.
- Zu Beginn eines jeden Forschungsvorhabens werden die Rollen und Verantwortlichkeiten zwischen allen Beteiligten, den wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen wie auch dem wissenschaftsakzessorischen Personal, festgelegt. Im Laufe des Projektes findet ein regelmäßiger Austausch über sich ggf. verändernde Zuständigkeiten und Arbeitsschwerpunkte statt.
- Das ZOiS stellt die organisatorischen Rahmenbedingungen sicher, innerhalb derer die Wissenschaftler*innen bei der Konzeption eines Forschungsvorhabens den aktuellen Forschungsstand (state of the art) auf Grundlage sorgfältiger Recherche und Auswertung der öffentlich zugänglich gemachten Forschungsleistungen umfassend aufzunehmen und zu berücksichtigen haben. Die Wissenschaftler*innen sind gehalten, die Relevanz von Geschlecht und Diversität bei der Auswahl von Methoden und Analysekategorien ihres Forschungsvorhabens zu prüfen.
- Das ZOiS entwickelt verbindliche Grundsätze zur Forschungsethik und für Verfahren zur Beurteilung seiner Forschungsvorhaben. Es sichert durch entsprechende Organisationsstrukturen das rechtskonforme Forschungshandeln am Institut. Auf Grundlage ihrer fachlichen Expertise bewerten die Wissenschaftler*innen die Risiken ihrer Forschungsvorhaben und schätzen deren Folgen ab. Im Einklang mit den gesetzlichen und vertraglichen Rahmenbedingungen, beachten sie Genehmigungserfordernisse, Ethikvoten sowie Vereinbarungen über Nutzungsrechte an Forschungsdaten und -ergebnissen und dokumentieren diese in schriftlicher Form, um insbesondere Kooperationsprojekte mit Dritten sowie den Fall des Wechsels/Ausscheidens von Beteiligten zu regeln. Dabei ist auch für den Fall eines Einrichtungswechsels sicherzustellen, dass die Nutzung der Daten denjenigen zusteht, der*die sie erhoben haben. Die Nutzungsrechte an Forschungsdaten und -ergebnissen der Beteiligten sind frühestmöglich schriftlich festzulegen und in allen Phasen des Forschungsprozesses anzupassen.
- Standards bei der Wahl von Methoden, der Erhebung von Forschungsdaten sowie der Beschreibung von Forschungsergebnissen bilden eine wesentliche Voraussetzung für die Vergleichbarkeit und Übertragbarkeit von Forschungsergebnissen. Vor diesem Hintergrund arbeiten die Wissenschaftler*innen des ZOiS in ihrer Forschung nach wissenschaftlich fundierten und nachvollziehbaren Methoden, die den Standards ihres jeweiligen Faches entsprechen. Dies umfasst auch die Anwendung von Methoden zur Vermeidung von (unbewussten) Verzerrungen bei der Interpretation von Forschungsdaten. Bei der Entwicklung neuer methodischer Ansätze achten sie auf Qualitätssicherung und die Implementierung von Standards.
- Den Erfordernissen ihres Fachgebietes entsprechend, dokumentieren die Wissenschaftler*innen des ZOiS alle für das Zustandekommen eines Forschungsergebnisses relevanten Informationen und sichern somit die Replizierbarkeit ihrer Forschungsergebnisse. Dies umfasst auch Einzelergebnisse, die die Forschungshypothese nicht stützen. Eine selektive Dokumentation, die Manipulation der Dokumentation oder der Forschungsergebnisse sind nicht zulässig. Falls eine Dokumentation nicht den fachlichen Anforderungen entsprechen kann, so werden die Gründe dafür nachvollziehbar dargelegt.
- Die Entscheidung zur Veröffentlichung von Forschungsergebnissen obliegt den an ihrem Zustandekommen beteiligten Wissenschaftler*innen und ist nicht von der Entscheidung Dritter abhängig. Im Regelfall sollten die Forschungsergebnisse gemäß den fachlichen Gepflogenheiten öffentlich zugänglich gemacht werden. Die Wahl des Publikationsmediums und -formats liegt in der Verantwortung der beteiligten Wissenschaftler*innen. In der Veröffentlichung werden die Ergebnisse umfassend und nachvollziehbar dargestellt. Dazu zählen auch die zugrundeliegenden Forschungsdaten, Materialien und Informationen, das angewandte Forschungsdesign sowie die eingesetzte Software. Eigene und fremde Vorarbeiten weisen Wissenschaftler*innen vollständig und korrekt nach. Die Wissenschaftler*innen vermeiden die inhaltliche Wiederholung ihrer Forschungserbnisse in unterschiedlichen Publikationen, soweit dies nicht für das Verständnis des Zusammenhangs erforderlich ist. Ebenso vermeiden sie unnötig kleinteilige Publikationen. Bereits zuvor veröffentlichte Ergebnisse werden nach dem disziplinenspezifischen Selbstverständnis zitiert. Die FAIR-Prinzipien („Findable, Accessible, Interoperable, Re-usable“) werden bei der Veröffentlichung von Forschungsdaten angewendet.
- Die Wissenschaftler*innen sichern öffentlich zugänglich gemachte Forschungsdaten beziehungsweise Forschungsergebnisse sowie deren zugrundeliegende Forschungsdaten (Rohdaten und Forschungssoftware) gemäß den Standards des jeweiligen Fachgebietes für mindestens zehn Jahre. Die Archivierung kann sowohl im ZOiS als auch in einem standortübergreifenden Repositorium erfolgen. Verantwortliche eines Forschungsprojektes stellen die ordnungsgemäße Archivierung sicher. Näheres dazu ist in der Forschungsdaten-Policy des ZOiS geregelt.
- Die Autorschaft begründet sich in einem eigenständigen, wissenschaftlichen und nachvollziehbaren Beitrag zu einer wissenschaftlichen Text-, Daten- oder Softwarepublikation. Es ist in jedem Einzelfall und abhängig vom betroffenen Fachgebiet zu prüfen, wann ein Beitrag genuin und nachvollziehbar ist und einer Autorschaft entspricht. Ebenso rechtfertigt eine Leitungs- oder Vorgesetztenfunktion für sich allein keine Mitautorschaft. Die Veröffentlichung setzt die Zustimmung aller Autor*innen voraus. Sie tragen – soweit nicht anders angegeben – die Verantwortung für die Publikation und achten auf die korrekten Zitierhinweise. Die Verständigung über die Autorenreihenfolge erfolgt rechtzeitig, in der Regel spätestens, wenn das Manuskript formuliert wird. Dies geschieht anhand nachvollziehbarer Kriterien unter Berücksichtigung der Konventionen des jeweiligen Fachgebiets. Die Zustimmung zu einer Veröffentlichung darf nicht ohne hinreichenden Grund verweigert werden. Als solcher gilt eine nachprüfbare Kritik an Daten, Methoden oder Ergebnissen. Unterstützungsleistungen, die keine Autorschaft begründen, werden in angemessener Weise im Vorwort oder den Fußnoten gewürdigt. Eine Ehrenautorschaft ist nicht zulässig.
- Die Wahl des passenden Publikationsorgans obliegt den Autor*innen entsprechend den Gegebenheiten der jeweiligen Fachdisziplinen. Für die Auswahlentscheidung sollte insbesondere bei neuen oder unbekannten Publikationsorganen das Vorliegen einer Richtlinie zur guten wissenschaftlichen Praxis dienen. Wissenschaftler*innen prüfen sorgfältig, für welche Publikationsorgane sie als Herausgeber*innen fungieren. Die wissenschaftliche Qualität eines Beitrags ergibt sich aus dem Beitrag selbst und nicht aus dem Publikationsorgan. Dabei kommen auch Fachrepositorien, Daten- und Softwarerepositorien sowie Blogs in Betracht.
- Begutachtende Wissenschaftler*innen des ZOiS verpflichten sich, die ihnen zur Begutachtung anvertrauten Manuskripte, Förderanträge sowie Anfragen hinsichtlich der Ausgewiesenheit von Personen vertraulich zu behandeln. Dies schließt die Weitergabe an Dritte und die eigene Nutzung aus. Tatsachen, die die Besorgnis einer Befangenheit begründen können, sind offenzulegen. Diese Verpflichtungen gelten auch für Mitarbeiter*innen des ZOiS soweit sie als Mitglieder von Beratungs- und Entscheidungsgremien fungieren oder fungieren werden.
Teil 3 - Wissenschaftliches Fehlverhalten
Wissenschaftliches Fehlverhalten liegt vor, wenn bei wissenschaftlichen Arbeiten bewusst oder grob fahrlässig Falschangaben gemacht, Rechte des geistigen Eigentums verletzt oder die Forschungstätigkeit Dritter beeinträchtigt werden. Als Fehlverhalten kommen insbesondere folgende Handlungsweisen in Betracht:
1. Falschangaben wie:
- das Erfinden von Daten,
- das Verfälschen von Daten (zum Beispiel durch Auswählen erwünschter oder durch Zurückweisen unerwünschter Ergebnisse oder Auswertungsverfahren, ohne dies offen zu legen, oder durch Manipulation einer Darstellung oder Abbildung),
- unrichtige Angaben in Bewerbungsschreiben, Publikationsverzeichnissen oder einem Förderantrag (einschließlich Falschangaben zum Publikationsorgan und zu in Druck befindlichen Veröffentlichungen),
- Mehrfachpublikation von Daten oder Texten, ohne dies offenzulegen
2. Verletzungen geistigen Eigentums in Bezug auf ein von anderen geschaffenes, rechtlich geschütztes Werk oder von anderen stammende, wesentliche wissenschaftliche Erkenntnisse, Hypothesen, Lehren oder Forschungsansätze, wie insbesondere:
- die unbefugte Übernahme oder sonstige Verwendung von Passagen ohne angemessenen Nachweis der Urheberschaft (Plagiat),
- die Ausbeutung von Forschungsansätzen und Ideen ohne Einwilligung, insbesondere als Gutachter*in (Ideendiebstahl),
- die Anmaßung oder unbegründete Annahme wissenschaftlicher Autorschaft oder (Mit)Autorenschaft (Ehrenautorschaft) ebenso wie die Verweigerung einer berechtigten Ko-Autorenschaft,
- die Verfälschung des Inhalts,
- die unbefugte Veröffentlichung und das unbefugte Zugänglichmachen von Forschungsergebnissen gegenüber Dritten, solange das Werk, die Erkenntnis, die Hypothese, die Lehre oder der Forschungsansatz noch nicht rechtmäßig veröffentlicht sind,
- die Inanspruchnahme der (Mit)Autorenschaft einer/s Dritten ohne deren/dessen Einverständnis
- die Ausgabe von durch Dritte verfasste Texte mit deren Einverständnis als eigene (Ghostwriting)
3. Beeinträchtigung von Forschungstätigkeiten Dritter, wie insbesondere:
- das Beschädigen, Zerstören oder Manipulieren von Geräten, Unterlagen, Hardware, Software oder Sachen, die Dritte zur Durchführung eines Forschungsprojektes benötigen.
- die Beseitigung von Rohdaten, wenn damit gegen gesetzliche Bestimmungen oder anerkannte Grundsätze wissenschaftlicher Arbeit verstoßen wird. Dies gilt auch für die rechtswidrige Nichtbeseitigung (insbesondere personenbezogener) Daten.
4. Unrichtig oder mutwillig erhobene Vorwürfe
Die Anzeige des*der Hinweisgebenden muss in gutem Glauben erfolgen. Bewusst unrichtig oder mutwillig erhobene Vorwürfe können selbst ein wissenschaftliches Fehlverhalten begründen.
5. Eine Mitverantwortung für Fehlverhalten kann sich unter anderem ergeben aus:
- der Beteiligung am Fehlverhalten anderer,
- einer groben Vernachlässigung der Aufsichtspflicht seitens der Institutsleitung oder der Betreuungsverantwortung der Forschungsschwerpunktleitungen,
- einer Mitautoren- oder Herausgeberschaft an fälschungsbehafteten Veröffentlichungen.
Teil 4 - Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten
Ombudspersonen
Das ZOiS geht jedem konkreten Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten nach. Das Verfahren zur Überprüfung wissenschaftlichen Fehlverhaltens gemäß Teil 3 gliedert sich in eine Vorprüfung und ein förmliches Untersuchungsverfahren.
Die Wissenschaftler*innen des ZOiS wählen eine unabhängige Ombudsperson, die bei Unstimmigkeiten, Verdachtsmomenten und Streitfragen neutral und qualifiziert beraten kann. Diese Person soll über hinreichende Berufserfahrung sowie Erfahrung in der Leitung wissenschaftlicher Projekte verfügen. Die Institutsleitung ist verantwortlich für die Durchführung der geheimen Wahl. Zusätzlich bestellt der Wissenschaftliche Beirat unter seinen Mitgliedern eine weitere Ombudsperson. Den Wissenschaftler*innen des ZOiS steht es frei, sich an eine dieser Ombudspersonen oder an das überregional tätige Gremium „Ombudsmann für die Wissenschaft“ zu wenden. Beide Ombudspersonen vertreten sich gegenseitig für den Fall der Besorgnis der Befangenheit oder der Verhinderung. Die Institutsleitung stellt sicher, dass die Ombudspersonen am ZOiS bekannt sind und unterstützt sie bei der Wahrnehmung ihrer Aufgabe.
Die Amtszeit beider Ombudspersonen beträgt jeweils drei Jahre. Eine einmalige Wiederwahl bzw. Wiederbestellung ist zulässig.
Die Ombudsperson des ZOiS wird tätig, wenn sie durch eine*n Wissenschaftler*in angerufen wird. Sie kann in begründeten Fällen auch tätig werden, wenn sie durch Dritte über einen Verdacht wissenschaftlichen Fehlverhaltens informiert wird. Die Kontaktaufnahme unterliegt der Vertraulichkeit.
2. Vorprüfung
Der Ombudsperson obliegt die Federführung für eine Vorprüfung.
Im Falle von Unstimmigkeiten und Auseinandersetzungen über Verhaltensweisen, die dem Bereich des wissenschaftlichen Fehlverhaltens zugeordnet werden können, kann im Interesse der Vermittlung und Beratung die im ZOiS gewählte, die durch den Wissenschaftlichen Beirat bestellte Ombudsperson sowie das überregional tätige Gremium „Ombudsmann für die Wissenschaft“ angesprochen werden. Das Verfahren ist vertraulich. Alle mit dem Verfahren befassten Personen am ZOiS setzen sich in geeigneter Weise für den Schutz der Hinweisgebenden und den von Vorwürfen Betroffenen ein. Dies umfasst auch den Grundgedanken der Unschuldsvermutung, der in jedem Stadium des Verfahrens gilt.
- Vorwürfe wissenschaftlichen Fehlverhaltens sind in der Regel schriftlich an die Ombudsperson zu richten. Die Überprüfung anonymer Anzeigen ist durch die Ombudsperson abzuwägen. Grundsätzlich gebietet eine zweckmäßige Vorprüfung die Namensnennung der*des Hinweisgebenden.
- Aus der Anzeige dürfen weder der*dem Hinweisgebenden noch der*dem von den Vorwürfen Betroffenen Nachteile für das eigene wissenschaftliche oder berufliche Fortkommen erwachsen. Für den Schutz der*des Hinweisgebenden ist auch im Fall eines nicht erwiesenen wissenschaftlichen Fehlverhaltens Sorge zu tragen, sofern die Anzeige der Vorwürfe nicht nachweislich wider besseres Wissen erfolgt.
- Der Name der*des Hinweisgebenden ist vertraulich zu behandeln und darf nicht ohne Einverständnis an Dritte herauszugeben werden. Dies gilt auch für den Fall, dass die*der Hinweisgebende namentlich bekannt ist. Eine Offenlegung des Namens gegenüber der*dem Betroffenen kann im Einzelfall dann geboten sein, wenn sich diese andernfalls nicht sachgerecht verteidigen kann. Eine Offenlegung des Namens de*des Hinweisgebenden soll jedoch nur dann erfolgen, wenn ihr*ihm daraus keine Nachteile für das eigene wissenschaftliche und berufliche Fortkommen erwachsen.
- Die Ombudsperson bestätigt innerhalb einer Woche ab Eingang der Anzeige gegenüber der*dem Hinweisgebenden deren Erhalt. Der*die vom Verdacht des Fehlverhaltens Betroffene wird von den Ombudspersonen zeitnah unter Benennung der belastenden Tatsachen und unter Fristsetzung von zwei Wochen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
- Nach Eingang der Stellungnahme der*s Betroffenen bzw. nach Verstreichen der Frist trifft die Ombudsperson innerhalb einer Frist von zwei Wochen eine Entscheidung darüber, ob und welche weiteren Aufklärungsmaßnahmen im Rahmen der Vorprüfung erforderlich sind und veranlasst deren umgehende Durchführung.
- Die Ombudsperson kann als Ergebnis der Vorprüfung das Verfahren mangels hinreichender Beweise oder wegen Geringfügigkeit einstellen. Über diese Entscheidung informiert sie alle Beteiligten unverzüglich. Die*der Hinweisgebende wird zuerst informiert. Sollte die*der Hinweisgebende mit der Einstellung des Prüfungsverfahrens nicht einverstanden sein, besteht innerhalb von zwei Wochen ein Remonstrationsrecht gegenüber der Ombudsperson. In diesem Fall wird die Untersuchungskommission zu Rate gezogen. Sie entscheidet, ob ein förmliches Untersuchungsverfahren eingeleitet wird.
- Hat die Vorprüfung das Vorliegen eines hinreichend konkreten Verdachtes für ein Fehlverhalten bestätigt, erfolgt die Überleitung in das förmliche Untersuchungsverfahren.
3. Förmliches Untersuchungsverfahren
- Wird das Verfahren nach Vorprüfung durch die Ombudsperson nicht eingestellt oder macht die*der Hinweisgebende von seinem Remonstrationsrecht Gebrauch, so wird das Vorprüfungsverfahren in das förmliche Untersuchungsverfahren übergeleitet. Die Ombudsperson berichtet der Institutsleitung über den vorgetragenen Vorfall wissenschaftlichen Fehlverhaltens. Die Institutsleitung beruft daraufhin unverzüglich eine Untersuchungskommission ein. Ist die Institutsleitung von dem Vorwurf des Fehlverhaltens betroffen, so sind die folgenden Maßnahmen durch den Wissenschaftlichen Beirat in Abstimmung mit der Gesellschafterversammlung zu treffen.
- Der Untersuchungskommission gehören die*der Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats, die Ombudsperson, ein*e Jurist*in sowie der*die entsprechende Forschungsschwerpunktleiter*in und ein*e äquivalente*r Kolleg*in an. Die Untersuchungskommission bestimmt eine*n Vorsitzenden aus ihrer Mitte. Die Untersuchungskommission kann darüber hinaus externe Wissenschaftler*innen als Kommissionsmitglieder für die Einzelfallprüfung oder weitere Personen bei Einzelfragen hinzuziehen. Sollte in Bezug auf ein Mitglied der Untersuchungskommission im konkreten Einzelfall der Anschein der Befangenheit bestehen, ist ein*e Vertreter*in durch die Untersuchungskommission zu benennen. Das Gleiche gilt für den Fall der Verhinderung.
- Die Mitglieder der Untersuchungskommission haben gleiches Stimmrecht. Der*die Jurist*in sowie die Ombudsperson gehören der Untersuchungskommission mit beratender Stimme an. Die Kommission ist beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte der stimmberechtigten Mitglieder anwesend ist.
- Die Untersuchungskommission hat im Rahmen des förmlichen Prüfverfahrens die Aufgabe, über das Ergebnis der Vorprüfung zu beraten und in angemessener Zeit abschließend zu prüfen, ob wissenschaftliches Fehlverhalten in welchem Umfang in dem vorgebrachten Fall vorlag. Dabei ist sie frei in der Würdigung der erhobenen Beweise. Die Untersuchungskommission berät in nicht öffentlicher mündlicher Verhandlung, sie kann weitere Informationen oder Stellungnahmen einholen. Der*dem von den Vorwürfen Betroffenen sowie der*dem Hinweisgebenden wird durch die Untersuchungskommission Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Stellungnahme kann schriftlich oder mündlich erfolgen. Beide Parteien können je eine Person ihres Vertrauens als Beistand hinzuziehen.
- Die Mitglieder der Untersuchungskommission sowie alle am Verfahren beteiligten oder über das Verfahren unterrichteten Personen sind zur Vertraulichkeit verpflichtet.
- In der Regel soll die Überprüfung durch die Untersuchungskommission in einem Zeitraum von höchstens drei Monaten ab der konstituierenden Sitzung der Untersuchungskommission abgeschlossen sein.
- Die Untersuchungskommission verfasst einen Bericht, der entweder die Einstellung des Verfahrens begründet oder das Vorliegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens feststellt.
- Kommt die Untersuchungskommission zu dem Schluss, dass wissenschaftliches Fehlverhalten vorliegt, d. h. hält sie mehrheitlich das wissenschaftliche Fehlverhalten für hinreichend erwiesen, soll der Bericht insbesondere feststellen, ob ein solches Verhalten grob fahrlässig oder vorsätzlich erfolgt ist, die Schwere eines solchen wissenschaftlichen Fehlverhaltens bewerten sowie einen Maßnahmenvorschlag enthalten.
- Ferner soll der Bericht eine Einschätzung zu der Frage abgeben, ob das wissenschaftliche Fehlverhalten den Entzug akademischer Grade zur Folge haben kann. Schließlich soll der Bericht feststellen, ob Wissenschaftsorganisationen von dem wissenschaftlichen Fehlverhalten betroffen und damit zu informieren sind
4. Abschluss des Verfahrens
- Mit der Berichtlegung ist das Prüfverfahren abgeschlossen und die Untersuchungskommission beendet damit ihre Arbeit. Die Institutsleitung informiert alle Beteiligten über das Prüfergebnis und entscheidet auf der Grundlage des Kommissionsberichtes über das weitere Vorgehen. Dieses kann die Einstellung des Prüfverfahrens oder die Überleitung in ein disziplinarisches Verfahren beinhalten.
- Das disziplinarische Verfahren kann auf Basis des ermittelten Sachverhalts und je nach Schweregrad des Fehlverhaltens verschiedene Maßnahmen zur Folge haben: Durchführung arbeitsrechtlicher Maßnahmen wie Ermahnung, Abmahnung, Kündigung; Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen; Erstattung einer Strafanzeige
- Sollte der Bericht der Untersuchungskommission zu dem Schluss kommen, dass das wissenschaftliche Fehlverhalten die Aberkennung akademischer Grade zur Folge haben könnte, so leitet die Institutsleitung den Vorgang an die entsprechende Hochschule weiter, die den jeweiligen Grad verliehen hat. Gleiches gilt in Bezug auf betroffene Wissenschaftsorganisationen.
- Das gesamte Verfahren und alle entscheidungserheblichen Gründe sind zu dokumentieren. Über die anonymisierte Veröffentlichung der Untersuchung wird bei Vorliegen eines berechtigten öffentlichen Interesses unter Wahrung der Persönlichkeitsrechte aller Beteiligten im Einzelfall von der Kommission entschieden.
Diese Richtlinie tritt nach Beschluss des wissenschaftlichen Beirats und nach Kenntnisnahme durch den Stiftungsrat des ZOiS mit Bekanntgabe im Intranet des ZOiS und Veröffentlichung auf der Webseite des ZOiS in Kraft. Damit verliert die Leitlinie Guter Wissenschaftlicher Praxis und zum Umgang mit Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens am Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien vom Juni 2018 ihre Gültigkeit.
Berlin, den 11.01.2022