Dr. Félix Krawatzek

Antworten junger Menschen auf die Covid-19-Pandemie in Russland

Dr. Félix Krawatzek

Antworten junger Menschen auf die Covid-19-Pandemie in Russland

Freiwillige Helfer in Rostow am Don liefern während der COVID-19-Coronavirus-Pandemie Lebensmittel an ältere Menschen. IMAGO / ITAR-TASS

in Kooperation mit Dr. Elena Omelchenko (Higher School of Economics, St. Petersburg)

Projektbeschreibung

Die Covid-19-Pandemie hatte tiefgreifende Auswirkungen auf die Alltagspraktiken junger Menschen. In Russland und darüber hinaus mussten sich junge Menschen anpassen, insbesondere als sich große Teile ihres Lebens in Windeseile in den digitalen Raum verlagerten. Universitäten und Schulen wurden geschlossen, Karrieren gerieten aus der Bahn und mussten umgeplant werden, die Mobilität innerhalb Russlands und nach Europa kam zum Erliegen. Die Pandemie hat vor allem für junge Menschen massive wirtschaftliche Auswirkungen mit sich gebracht, wobei nicht alle ihre Folgen in gleichem Maße zu spüren bekommen werden.

Gleichzeitig gibt es einen ambivalenten öffentlichen Diskurs über junge Menschen in Russland. Da sie weniger häufig schwer an Covid-19 erkranken, wurden sie im öffentlichen Diskurs stigmatisiert und als egoistisch gebrandmarkt, wenn sie Quarantäneregelungen missachteten oder sich nicht genug um die Menschen in ihrem Umfeld kümmerten. Ihnen wird vorgeworfen, verantwortungslos zu handeln und eine Gefahr für die Zukunft der Nation zu sein. Allerdings bleiben junge Menschen rein biologisch betrachtet diejenigen, auf denen das Versprechen einer besseren Zukunft ruht. Da sie mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit langfristige gesundheitliche Schäden durch Covid-19 davontragen, sind sie es, die der Gesellschaft neue Energie verleihen und lebenswichtige gesellschaftliche Strukturen aufrechterhalten: Junge Menschen stehen als Mediziner*innen in der Pandemie an vorderster Front, arbeiten als Lieferfahrer*innen oder treiben technologische Innovationen voran.

Im Rahmen dieses Projekts wird untersucht, wie junge Russ*innen auf die Pandemie reagieren und sich selbst innerhalb jenes doppelten Diskurses über sie verortet haben. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei den Strategien, mit denen junge Menschen auf die Veränderungen ihres sozialen Umfelds im Zuge der Pandemie reagiert haben. Betrachtet werden 1) ihre wirtschaftlichen Praktiken, das heißt die Veränderungen ihres Konsumverhaltens und ihrer Arbeitsmarktbeteiligung, 2) ihre zivilen Praktiken, beispielsweise ihre Teilnahme an nachbarschaftlichen Solidaritätsaktionen und gegenseitigen Unterstützungsinitiativen, und 3) ihre selbstbezogenen Praktiken, die darauf ausgerichtet sind, sich persönlich weiterzuentwickeln und das eigene Umfeld aufrechtzuerhalten.

Methodisch handelt es sich um eine qualitative Fallstudie, die auf ethnographischen Interviews mit Menschen zwischen 18 und 35 Jahren in Sankt Petersburg und Uljanowsk aufbaut. Der Stichprobe liegen Quoten hinsichtlich des Geschlechts, Alters und der Beschäftigungsart der Befragten zugrunde. An beiden Befragungsorten werden jeweils 15 biographische Leitfadeninterviews mit einzelnen Teilnehmer*innen und fünf Fokusgruppen durchgeführt. Da der Forschungsschwerpunkt auf den Auswirkungen liegt, die die Covid-19-Pandemie abhängig vom sozioökonomischen Status der Befragten hat, setzen die Fokusgruppen sich jeweils aus jungen Menschen zusammen, die einer ähnlichen Art von Beschäftigung nachgehen.

Kernfragen

  • Welche Strategien nutzen junge Russ*innen, um auf die im Rahmen ihrer wirtschaftlichen, zivilen und selbstbezogenen Praktiken durch die Pandemie entstandenen Herausforderungen zu reagieren?
  • Wie unterscheiden sich die Umgangsweisen mit der Pandemie in verschiedenen Teilen Russlands?

Projektbeteiligte am ZOiS

Leitung Forschungsschwerpunkt
Jugend und generationeller Wandel
Ombudsperson für die Wissenschaft