Energiekrise in Moldau: Russlands Spiel mit der Not
Zum Jahreswechsel beendete die Ukraine den Gastransit von Russland nach Moldau. Anders als viele in Chișinău und im abtrünnigen Transnistrien annahmen, versorgt Russland den bis dahin kostenlos mit Energie alimentierten De-Facto-Staat nicht weiter. Nadja Douglas zu einer Krise, die gerade erst Fahrt aufnimmt.
Was bedeutet der Gaslieferstopp Russlands für die Republik Moldau?
Auf der moldauisch kontrollierten Seite konnte das fehlende Gas durch Lieferungen aus Rumänien und der Ukraine kompensiert werden. Strom, bis dahin günstig aus dem in Transnistrien befindlichen und mit Gas betriebenen Heizkraftwerk MGRES bezogen, wird nun zu sehr viel höheren Preisen aus dem Ausland zugekauft bzw. aus erneuerbaren Energien selbst produziert.
In Transnistrien hingegen kam es zu einer Notlage. Seit Anfang des Jahres steht die Industrieproduktion (mit Ausnahme der kritischen Infrastruktur) still, öffentliche Einrichtungen haben geschlossen oder arbeiten mit Dieselgeneratoren und Haushalte heizen mit Strom oder nutzen andere fossile Brennstoffe. Die Überlastung des Stromnetzes führt zu laufenden Ausfällen. Auch ist die Trinkwasserversorgung größtenteils eingestellt worden. Regierungsquellen zufolge befindet sich noch Restgas in den Leitungen, was bisher eine noch größere humanitäre Katastrophe verhindert habe. Allerdings sollen diese nur noch bis zum 31. Januar 2025 reichen. In der Teilrepublik mehren sich Proteste, die teilweise durch russische Desinformationskampagnen befeuert werden und die moldauische Regierung für die Krise verantwortlich machen. Das De-Facto-Regime kündigte wiederholt die Wiederaufnahme von Gaslieferungen aus Russland an, die aber letztlich nicht erfolgten, und bezichtigt die moldauische Regierung, diese zu blockieren. Aus Chişinău kamen wiederholt Angebote, Transnistrien mit Energie zu beliefern.
Welche Lösungsoptionen stehen der moldauischen Regierung zur Verfügung?
Zum 10. Januar wurden Gas- und Strompreise für Endverbraucher*innen stark angehoben und Regierungsinstitutionen und Unternehmen führten Einsparmaßnahmen ein. Zudem kündigten die Ministerien für Wirtschaft und Soziales an, dass sowohl Unternehmen als auch besonders bedürftige Privathaushalte das Recht auf Kompensationszahlungen erhielten.
Nach intensiven Verhandlungen wurde eine Übergangslösung für Transnistrien gefunden. Damit der Druck in den transnistrischen Gasleitungen nicht abfällt, hat Chişinău Soforthilfe in Form einer einmaligen Gaslieferung angeboten. Des Weiteren wurde im Anschluss an das EU Außenministertreffen in Brüssel am 27. Januar bekanntgegeben, dass die EU-Kommission der Republik Moldau 30 Millionen Euro zur Verfügung stellt, um Gas auf dem europäischen Markt zu kaufen und damit durch das Heizkraftwerk MGRES vom 1. bis zum 10. Februar Strom sowohl für die moldauische als auch die transnistrische Seite zu produzieren. An längerfristigen Lösungen, einem Zweijahres-Paket zur Stärkung der Resilienz im Energiesektor, soll nun gearbeitet werden.
Zur gleichen Zeit verkündete die transnistrische Seite, dass Russland voraussichtlich ab Februar wieder Gas liefert und zwischenzeitlich ein ungarisches Energieunternehmen Gas an die moldauische Grenze bringt. Ob diese beiden Lösungen miteinander abgestimmt sind, ist zum jetzigen Zeitpunkt unklar. Wie auch immer Transnistrien letztlich mit Gas beliefert wird, für Moldau selbst löst das die Energiekrise nicht. Die Energiepreise werden vorerst hoch bleiben. Alles deutet darauf hin, dass sowohl Moldau als auch die transnistrische Region vor einer länger anhaltenden Krise stehen.
Welche Interessen verfolgt Russland mit seiner Energiepolitik in der Republik Moldau und der Region?
Mittlerweile ist unstrittig, dass Russland auf Kosten der transnistrischen Bevölkerung ein fragwürdiges Spiel spielt, in dem Propaganda und Desinformation ein wichtiger Baustein sind. Die Lösungsvorschläge seitens Transnistriens und Russlands wurden mit der Zeit immer komplexer und es drängt sich die Frage auf, warum Russland für Transnistrien lieber Gas auf dem europäischen Markt kauft und damit noch höhere Kosten in Kauf nimmt, als es selbst zu liefern. Die moldauische Regierung befürchtet, dass der Kreml bei den Parlamentswahlen im Herbst eine prorussische Regierung an die Macht bringen will. Andere vermuten, dass Russland womöglich Transnistrien gänzlich fallenlassen könnte, sodass im Falle einer Wiedervereinigung mit der Republik Moldau die dortigen prekären proeuropäischen Mehrheitsverhältnisse durch die russlandfreundlicheren Transnistrier*innen endgültig kippen könnten. Dies würde für Moskau eine enorme finanzielle Entlastung bedeuten. Die moldauische Regierung, aber auch die das Land unterstützende EU, müssen sich vorwerfen lassen, zu spät auf die sich bereits im letzten Jahr abzeichnende Krise reagiert zu haben. Diskussionen über eine mögliche Reintegration Transnistriens im Kontext der derzeitigen Krise nehmen nun wieder an Fahrt auf.