Expert*innenstimme

Rücktritt von Nursultan Nasarbajew als Vorsitzender der „Versammlung des Volkes Kasachstans“

Von Beate Eschment 29.04.2021

Am 28. April 2021 ist Kasachstans ehemaliger Präsident Nursultan Nasarbajew als Vorsitzender der „Versammlung des Volkes Kasachstans“ (ANK) zurückgetreten. Zentralasienexpertin Beate Eschment forscht am ZOiS zu nationalen Minderheiten im Vielvölkerstaat Kasachstan und ordnet die Entscheidung für uns ein.

Welche Bedeutung hat die „Versammlung des Volkes Kasachstans“ (ANK) in Kasachstan?

Die Versammlung des Volkes Kasachstans ist zwar ein Verfassungsorgan, sie hat aber nur beratende Kompetenzen und wird deshalb von vielen Beobachter*innen nicht ernst genommen. In der ANK sind aber die Vertreter*innen der vielen Ethnien des Landes versammelt. Für sie hat die Versammlung große Bedeutung, sowohl als Symbol der Anerkennung der Multiethnizität des Landes, als auch als Ort, wo ihre Probleme und Vorschläge erörtert werden könnten.

Wie steht es um das Zusammenleben der kasachischen Bevölkerungsmehrheit mit den anderen Ethnien?

Gemessen an dem Konfliktpotential, dass das Zusammenleben von mehr als 100 Ethnien mit verschiedensten Kulturen und Traditionen in einem Staat haben kann, sind die Verhältnisse in Kasachstan erstaunlich gut. Es hat in den vergangenen Jahren zwar mehrfach gewalttätige zwischenethnische Auseinandersetzungen gegeben, doch ist ihre Zahl insgesamt gering und sie waren auch immer lokal begrenzt. Allerdings besteht von staatlicher Seite die Tendenz, sie als Fälle von Alltagsnationalismus oder Streit unter Jugendlichen abzutun, damit das Bild des einigen Volkes der Kasachstaner*innen keinen Riss bekommt. Das birgt langfristig Gefahren, umso mehr, als Kasachstan rein demographisch, aber auch politisch, sprachlich und kulturell immer kasachischer wird.

Welche Rolle wird Nursultan Nasarbajew in Zukunft noch in Kasachstan spielen?

Der Vorsitz der ANK war nicht die einzige Aufgabe, die Nasarbajew auch nach seinem offiziellen Rücktritt vom Amt des Präsidenten im März 2019 behalten hat. Er ist in seiner Eigenschaft als „Erster Präsident“ nach wie vor Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrates und hat Einfluss auf die Besetzung vieler staatlicher Schlüsselpositionen. Inzwischen ist er 81 Jahre alt. Sein Ziel eines geordneten Machtüberganges in seinem Sinne hat er erreicht, die Situation in Kasachstan wird aber zunehmend komplizierter. Nachdem er jetzt auf der alljährlichen Sitzung der ANK seinen Rücktritt vom Vorsitz dieser von ihm geschaffenen und geschätzten Institution verkündet hat, könnte ich mir vorstellen, dass er sich allmählich von allen Ämtern zurückzieht und die Lösung der Probleme einer jüngeren Generation überlässt.

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