Stopp der EU-Beitrittsperspektive in Georgien: Auswirkungen auf Bildung und Migration
In Georgien protestieren Tausende Menschen gegen die Entscheidung der Partei „Georgischer Traum“, die Beitrittsverhandlungen mit der EU vorerst auszusetzen. Dies könnte verheerende Folgen für die Bildungschancen junger Menschen im Land haben und die Migration verstärken. Eine Einschätzung von Diana Bogishvili.
Was sind die Forderungen der Protestierenden und welche Erwartungen an die EU haben sie?
„Die Verschiebung der EU-Beitrittsverhandlungen auf 2028“, wie die Partei „Georgischer Traum“ es nennt, führt zur Isolierung des Landes. Der zivile Ungehorsam dagegen nimmt zu, nicht nur bei Studierenden, sondern auch bei ihren Eltern, Lehrer*innen, Vertreter*innen der Zivilgesellschaft und sogar bei Schüler*innen. Sie erkennen darin vor allem eine Absage an die Freiheit und eine Abkehr von Fortschrittsperspektiven. Der Slogan „Schweigen ist Verrat“ wird bei Studierenden immer lauter. Als Reaktion darauf hat das Bildungsministerium erklärt, dass eine Politisierung des Bildungssystems inakzeptabel sei. Dagegen bestehen die Demonstrant*innen, auf der Notwendigkeit zivilen Protests, da sie Demokratie und Freiheit bedroht sehen. Vor diesem Hintergrund ist es für die Protestierenden entscheidend, dass die EU-Staaten eine strikte und klare Haltung gegenüber der bestehenden gewaltsamen Politik einnehmen – darunter Wahlfälschung, gewaltsame Festnahmen, Arbeitsplatzentlassungen und weitere undemokratische Handlungen –, die die Partei „Georgischer Traum“ gegenüber ihren Gegnern verfolgt.
Welche Folgen hat der Stopp des Beitrittsprozesses für die Bildungs- und Berufsperspektiven der jungen Menschen im Land?
Durch diesen Schritt ist die internationale Einbindung in Bildung und Wissenschaft bedroht. Junge Menschen verlieren die Möglichkeit, an internationalen Austauschprogrammen teilzunehmen, und nicht nur Studierende, sondern auch Lehrende laufen Gefahr, Kooperationen und den Zugang zur internationalen Wissenschaftsgemeinschaft zu verlieren. Dies ist nicht nur eine politische, sondern auch eine bildungspolitische Isolation. Der Stopp des Beitrittsprozesses erhöht auch das Risiko von Korruption und Vetternwirtschaft im georgischen Bildungssystem. In einer Situation, in der das Land vom internationalen Austausch abgeschnitten ist, könnten akademische und berufliche Aufstiegschancen zunehmend von persönlichen Beziehungen und nicht von Leistung abhängen. Dieses Muster kennt Georgien bereits aus der Sowjetzeit. Es birgt die Gefahr, dass Bildung an Wert verliert und der Zugang zu qualifizierten Berufen eingeschränkt wird.
Wie wird sich dieser Verlust von Zukunftsperspektiven auf die Migration auswirken?
Der Stopp des EU-Beitrittsprozesses dürfte die Migration aus Georgien verstärken. Ohne die Hoffnung auf eine stärkere europäische Anbindung wird die Frustration insbesondere unter jungen Georgier*innen wachsen, da sie in einem isolierten Land kaum Chancen auf eine zukunftsorientierte Karriere haben. Migration wird so nicht nur zur Flucht vor einer stagnierenden Wirtschaft, sondern auch zum Versuch, in einem freien und demokratischen Umfeld ein menschenwürdiges Leben zu führen. Der Verlust von talentierten Menschen könnte langfristig die Entwicklung Georgiens beeinträchtigen und das Land weiter isolieren.