Verfassungsänderung in Kirgistan
Am 10. April hat die Bevölkerung in Kirgistan über eine neue Verfassung abgestimmt, die von Präsident Sadyr Dschaparow angestoßen wurde. Dem vorläufigen offiziellen Ergebnis zufolge wurde sie mit 79 Prozent der Stimmen angenommen. Zentralasienexpertin Beate Eschment ordnet die Entwicklungen für uns ein.
Am Wochenende wurde in Kirgistan über eine geänderte Verfassung abgestimmt. Was sind die wichtigsten Neuerungen?
Man kann darüber streiten, ob es eine geänderte oder eine neue Verfassung ist, denn es wurde mehr als die Hälfte der alten Konstitution geändert. Vor allem betrifft das den Präsidenten, der viele neue Kompetenzen bekommt und unter anderem gleichzeitig auch Regierungschef wird. Das Parlament wird dagegen verkleinert und praktisch dem Präsidenten unterstellt, außerdem wird ihm mit dem neu eingeführten „Kurultai“ (traditionelle Volksversammlung) eine Art Konkurrenz zur Seite gestellt. Versammlungs- und Meinungsfreiheit werden in bedenklicher Form eingeschränkt.
Was bedeuten die Änderungen für das politische System und die zukünftige Stabilität im Land?
Diese Änderungen wurden vom jetzigen Präsidenten Sadyr Dschaparow sofort nachdem er im Oktober 2020 Übergangspräsident geworden war angestoßen. Kritiker*innen sprechen von einer Khan-Verfassung oder einer „Khanstitution“, um auszudrücken, dass sie ein super-präsidentielles System schafft, in dem Dschaparow nahezu unbegrenzte Macht hat. Kirgistan hatte in den 30 Jahren seines Bestehens schon verschiedene politische Systeme, vom parlamentarischen bis zum präsidentiellen. Eine funktionierende Regierung und Stabilität hat noch keines gebracht. Auch dieses Mal sind Zweifel angebracht.
Dem vorläufigen offiziellen Ergebnis zufolge wurde die Verfassungsänderung mit ca. 80 Prozent der abgegebenen Stimmen angenommen, die Wahlbeteiligung lag jedoch nur bei 35 Prozent. Gibt es eine nennenswerte Opposition gegen Präsident Dschaparow und sein Projekt?
Das Verfassungsprojekt hatte (zurecht) viel Widerspruch hervorgerufen. Ein „Nein“ gegen die neue Verfassung wäre möglich gewesen, dennoch ist ein großer Teil der Bevölkerung, wie schon bei der Präsidentenwahl am 10. Januar 2021, zuhause geblieben, weil sie genug hat von den nicht enden wollenden Ränkespielen ihrer politischen Elite. Wie schon typisch für Kirgistan haben es auch die zersplitterten politischen Parteien nicht geschafft, der Kritik durch gemeinsames Vorgehen Nachdruck zu verschaffen. Insofern gibt es Opposition sowohl gegen den populistischen Präsidenten, als auch gegen seine Verfassung, sie wird aber weder von der Bevölkerung noch von den Parteien wirklich zum Ausdruck gebracht.