Pressemitteilung

Armeniens Polizei in der Vertrauenskrise

09.08.2018

Die tagelangen Demonstrationen, die Anfang Mai zu einem Regierungswechsel in Armenien geführt haben, sind die jüngsten in einer Serie von Protestwellen in dem Land. Schon 2015 und 2016 haben heftige Proteste deutlich gemacht, dass es in Armenien soziale Missstände und eine verbreitete Unzufriedenheit gibt, die das Potential haben, die Menschen auf die Straße zu bringen.

ZOiS-Wissenschaftlerin Nadja Douglas hat die Rolle von Armeniens Polizei, insbesondere ihr Vorgehen gegenüber Demonstrant*innen, sowie ihre Rolle in der konflikthaften Beziehung von Staat und Gesellschaft, untersucht. Dazu führte sie Interviews mit lokalen Aktivist*innen, die von Polizeiwillkür betroffen waren, und befragte Beobachter*innen und Vertreter*innen von internationalen Organisationen, Medien und Anwaltsverbänden, die sich mit Polizei und Strafverfolgung beschäftigen.

Ernstes Problem für Armeniens Rechtsstaatlichkeit

Seit den Protesten anlässlich der umstrittenen Präsidentschaftswahl im Jahr 2008, die gewaltsam niedergeschlagen worden waren, hat das Ansehen der Polizei stark gelitten.

Der Eindruck, dass der polizeiliche Einsatz von Gewalt in der Vergangenheit oft unverhältnismäßig war, ist weit verbreitet. Auch die Zahl der unrechtmäßigen Festnahmen hat sich im Zuge der „Electric Yerevan“-Proteste (2015) und der Erebuni-Geiselnahme (2016) bedeutend erhöht. Dass Polizeibeamte auch bei Fehlverhalten oft straflos ausgehen, wurde als ernstes Problem für die Rechtsstaatlichkeit Armeniens betrachtet.

Herausforderung für die neue Regierung

„Die mangelnde Legitimation im Handeln staatlicher Machtstrukturen wird voraussichtlich fürs Erste bestehen bleiben, trotz der jüngsten politischen Veränderungen, die die sogenannte samtene Revolution von 2018 mit sich gebracht hat“, so die Einschätzung von Nadja Douglas. Die neue Regierung unter Nikol Paschinjan steht nun vor der Herausforderung, die staatlichen Strukturen grundlegend zu reformieren. „Das ist eine Aufgabe, die für das Fortbestehen der neuen Regierung unabdingbar werden könnte. Dazu gehört mehr als die öffentlichkeitswirksame Verfolgung einzelner Repräsentanten der ehemaligen Führungselite“, so Douglas.

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