Russland als Projektionsfläche in Ost und West
Deutschlandweite Umfragen legen seit Längerem nahe, dass sich die Einstellungen gegenüber Russland in Ost- und Westdeutschland unterscheiden. Im November 2019 testete das ZOiS mit einer Umfrage verschiedene Assoziationen zu Russland und Einschätzungen der deutsch-russischen Beziehungen. An diese Bestandsaufnahme schlossen sich zwölf Fokusgruppendiskussionen in Ost- und Westdeutschland an. Ihr Ziel war es, die Logik hinter den positiven Bildern von Russland nachzuzeichnen. Die Ergebnisse werden nun in einem ZOiS Report vorgestellt.
Wohnort wichtiger als Geburtsort
Die ZOiS-Umfrage bestätigt Unterschiede in der Wahrnehmung der Innen- und Außenpolitik Russlands in Ost- und Westdeutschland. Der jetzige Wohnort ist hierbei mitunter wichtiger als der Geburtsort. Unabhängig vom Wohnort spielen auch Faktoren wie Geschlecht, Alter und Bildungsgrad eine Rolle. Die Kombination aus Umfrage und Fokusgruppen zeigt: Auch wenn ein Wohnort in Ostdeutschland stärker mit der Wahrnehmung von Wladimir Putin als „effektivem Präsidenten“ und weniger mit der Wahrnehmung einer „Bedrohung“ verbunden ist (vgl. Abb.), so ziehen sich sehr ähnliche Argumentationslinien durch positive Russlandbilder in Ost- und Westdeutschland.
Ähnliche Muster in Ost und West
Die Diskussion über Russland und Putin bietet in erster Linie eine Projektionsfläche und einen Filter für Kritik und Forderungen in Bezug auf die deutsche Politik. Zu den im Hinblick auf die deutsche Politik formulierten Erwartungen gehören: der Wunsch nach „Stärke“ bei der Durchsetzung politischer Entscheidungen, „Volksnähe“ der führenden Politiker*innen und „Nationalstolz“. „Diese Kritik ist lauter in Ostdeutschland, aber sie ist auch in Westdeutschland zu hören und nicht auf den rechten Rand des Parteienspektrums begrenzt“, fasst die Autorin, ZOiS-Direktorin Gwendolyn Sasse, zusammen.