Friedensstifter oder Konfliktträger? Der Krieg in der Ukraine als sozialethische Herausforderung für die orthodoxen Kirchen
Dieser Report analysiert die Position und Rolle der orthodoxen Kirchen in der Ukraine angesichts des Krieges zwischen Russland und der Ukraine. Die Kirchen haben einerseits aufgrund ihrer theologischen Grundlagen ein hohes friedensstiftendes Potential, andererseits verschärfen historische und politische Umstände die Konflikte zwischen ihnen. Die gesellschaftlichen Entwicklungen in der Ukraine seit den Protesten auf dem Maidan 2013/14 haben alle beteiligten orthodoxen Kirchen zu einer Klärung ihrer sozialethischen Positionierung herausgefordert und zu großen Veränderungen in der kirchlichen Landschaft geführt.
In den fünf Jahren des Ukraine-Krieges haben die orthodoxen Kirchen der beiden Länder unterschiedliche und zum Teil sehr ambivalente Haltungen zum Krieg eingenommen. Neben praktischen Initiativen der Versorgung von Flüchtlingen oder vereinzelten Projekten zu Dialog und Versöhnung auf lokalem Niveau stehen das Verschweigen oder Relativieren des Krieges als „Bürgerkrieg“ und der Versuch, kirchliche Identitäten mit politischem Kalkül gegeneinander auszuspielen.
In allen Kirchen fehlt eine systematische theologische sozialethische Auseinandersetzung mit den beiden Themen Krieg und Frieden. Darum dominieren in der Situation akuter militärischer Gewalt einerseits individualethische Appelle, andererseits fehlen die Mittel, einer Instrumentalisierung der kirchlichen Position durch kirchliche, gesellschaftliche und politische Akteure effektiv entgegen zu wirken.
Der Prozess der Gründung der neuen Orthodoxen Kirche der Ukraine zeigt, wie Religion und vorhandene innerreligiöse Spannungen in einem politischen Konflikt so instrumentalisiert werden können, dass dieser eine ausdrücklich religiöse Dimension erhält. Auch wenn die OKU das Potential hat, innerhalb der Ukraine stabilisierend und versöhnend zu wirken, wurde dieses Potential durch die politische Instrumentalisierung zunächst verspielt.
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