Zehn Jahre Östliche Partnerschaft – ein großer Flop?
Im Mai dieses Jahres hatte der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, zu Feierlichkeiten aus Anlass des zehnten Jahrestages der Östlichen Partnerschaft geladen, des wichtigsten politischen und wirtschaftlichen Rahmens für die Zusammenarbeit der EU mit ihren europäischen Nachbarn im Osten. Repräsentant*innen aller sechs Partnerländer – Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Moldau und die Ukraine – kamen nach Brüssel, um die Erfolge der Partnerschaft zu feiern und die Perspektiven für deren Zukunft zu erörtern.
Die Östliche Partnerschaft wurde als Ergebnis einer polnisch-schwedischen Initiative im Jahr 2009 gegründet – damals mit womöglich noch festlicherem Charakter. Dass die Präsidenten Armeniens und Aserbaidschans bei den Feierlichkeiten Schulter an Schulter auf der Bühne posierten und der belarussische Präsident Aljaksandr Lukaschenka in die Gästeliste aufgenommen worden war, war kennzeichnend für den Optimismus, dass die „Ergebnisse des Gipfeltreffens und die Schaffung der Östlichen Partnerschaft zu Fortschritten im Bereich der Demokratie führen“ würden.
Ein Blick auf die vergangenen zehn Jahre zeigt jedoch, dass diese Prophezeiung glücklicher Zeiten für die fragilen Staaten in dieser Region verfrüht war. Die demokratische Transformation, die der Partnerschaft vorschwebte, ist entweder äußerst bescheiden ausgefallen oder hat sich in eine ausgewachsene Autokratie verkehrt.
Ziele und Ausgestaltung der Partnerschaft
Von Beginn an gründete die Östliche Partnerschaft auf gemeinsamen Werten, „einschließlich Demokratie, Rechtstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten“. Um Anreize für eine Einhaltung dieser Grundwerte in ihrer instabilen Nachbarschaft zu schaffen, setzte die EU auf ein bewährtes Instrument, nämlich Konditionalität. Minutiös ausgearbeitete Gegenleistungen, die von finanziellen Förderprogrammen bis hin zu Freihandelsvereinbarungen und einer Liberalisierung des Visaregimes reichen, sollten – so die Annahme – genug Anreize bieten, um die gewünschten Ergebnisse zu zeitigen und die demokratischen Erfolge der Länder in Mittel- und Osteuropa zu wiederholen.
Dieses Vorgehen erfolgte allerdings unter einem großen Vorbehalt: Im Unterschied zu früheren Programmen lag bei dieser Konditionierung das für die sechs östlichen Partnerländer verlockendste Zuckerbrot nicht auf dem Tisch – eine EU-Vollmitgliedschaft. Die EU war vorsichtig gewesen, keine unerwünschten Ansprüche auf eine Mitgliedschaft zu nähren, und hatte den europäischen Charakter der Partnerländer aus den offiziellen Texten herausgenommen, bis einige Delegationen darauf bestanden, dass dies wieder aufgenommen wird.
Um wichtige Ziele leichter erreichen zu können, hat die EU bilaterale und multilaterale Pfade geschaffen. Sie leistete finanzielle Hilfe zur Beförderung jener Reformen, die zur Erschließung der krönenden Komponente der Partnerschaft, nämlich eines Assoziierungsabkommens, vonnöten waren. Diese Vereinbarungen stellen einen ganz neuen Beziehungsrahmen dar, der unter anderem eine enge politische Zusammenarbeit und Zugang zum europäischen Binnenmarkt beinhaltet.
Begrenzte Erfolge
Zehn Jahre und Milliarden Euro später lassen sich die Ergebnisse der Östlichen Partnerschaft kaum als Erfolg bezeichnen. Die Verhandlungen über die Assoziierungsabkommen ließen erste Risse erkennen: Armenien hatte die Verhandlungen abgeschlossen, machte dann aber eine überraschende Kehrtwende; Aserbaidschan hat Unterredungen initiiert, sie aber nie abgeschlossen, und Belarus ist gar nicht erst in Verhandlungen eingetreten. Nur drei Länder haben den vollen Weg zum wichtigsten Meilenstein der Partnerschaft, der Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens, durchschritten: Moldau, Georgien und die Ukraine.
Auch bei einer weiteren wichtigen Gegenleistung für die Partnerschaft, der Liberalisierung des Visaregimes, ist erkennbar geworden, dass die Entschlossenheit der Partner sehr unterschiedlich ausfällt. Allerdings war sie in höherem Maße begehrt, da selbst jene Länder, die nicht die Option eines Assoziierungsabkommens verfolgen, derzeit einen Visumsdialog mit der EU führen oder zumindest erwägen.
Die Propagierung der Werte der EU und die Demokratisierung der Region haben sich ebenfalls als wenig wirkungsvoll erwiesen. Georgien, ein regionales Aushängeschild für Demokratie, hatte nur kleine Schritte in Richtung Demokratisierung gemacht, bevor es seit 2018 auf dem Index von Freedom House langsam wieder abrutschte.
In den vergangenen zehn Jahren hat auch Moldau eher unbedeutende Fortschritte bei der Demokratisierung gemacht, da die Unabhängigkeit der Medien und die Justiz Rückschläge erfuhren. Das Land wurde 2014 von dem berüchtigten Banken- und Betrugsskandal erschüttert, der die Popularität der proeuropäischen Kräfte schwinden ließ.
Die Ukraine hatte für ihr Beharren auf einem proeuropäischen Kurs einen außerordentlich hohen Preis zu zahlen, da dies zwar zunächst 2013/14 die Revolution des Euromaidan auslöste, dann aber in die Annektierung der Krim und den Stellvertreterkrieg im ostukrainischen Donbass mündete. Die Demokratiewerte des Landes haben sich im vergangenen Jahrzehnt verschlechtert, unter anderem, weil der ukrainische Präsident Petro Poroschenko nicht in der Lage war, die erhofften substantiellen Reformen anzustoßen. Diese Enttäuschung war einer der Faktoren für den erdrutschartigen Sieg seines Opponenten bei den Präsidentschaftswahlen 2019.
Es überrascht kaum, dass jene drei Länder, die am stärksten von der Partnerschaft enttäuscht sind, keineswegs besser dastehen. Armenien ist – trotz der friedlichen Revolution im Frühjahr 2018 und eines alternativen Abkommens mit der EU – im vergangenen Jahrzehnt etwas weniger demokratisch geworden. Aserbaidschan, ein strategischer Partner der EU, ist zu einer vollkommenen Autokratie verkommen, die die Meinungsfreiheit sogar auf dem Gebiet seiner Nachbarn beschränkt. Belarus schließlich, das eine lange Geschichte von EU-Sanktionen zu verzeichnen hat – und zwar für Vergehen, für die Aserbaidschan lediglich einen Klapps auf die Finger erhält –, hat die Unabhängigkeit der Justiz vollkommen zunichte gemacht und sich weiter in Richtung einer absoluten Autokratie bewegt.
Herausforderungen für die Zukunft
Ungeachtet des anhaltenden Optimismus unter den Architekten der Östlichen Partnerschaft sind die Ergebnisse der vergangenen zehn Jahre kaum als Erfolg zu bezeichnen. Trotz kleinerer technischer Fortschritte erkennt auch die EU stillschweigend an, dass für die Zukunft der Partnerschaft weiterhin gewichtige Herausforderungen bestehen: Rechtstaatlichkeit, Justizreformen und Korruptionsbekämpfung stehen auf dieser Liste ganz oben.
Eine Wiederbelebung des Prinzips einer „Demokratisierung“, das durch die Partnerschaftsreform 2015 zugunsten einer „Stabilisierung“ auf Eis gelegt worden war, mag zwar als zu große Aufgabe erscheinen, könnte aber ein Schritt in die richtige Richtung sein. Als nächstes sollten für die erfolgreicheren Partner individuelle, maßgeschneiderte Politikansätze und Instrumente entworfen werden. Zusammengenommen könnten diese Schritte eine solide normative Basis und starke pragmatische Anreize schaffen, um die kommenden zehn Jahre der Östlichen Partnerschaft in eine Erfolgsgeschichte zu verwandeln.
Nikoloz Tokhvadze ist Doktorand am Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin. Sein Forschungsvorhaben untersucht die politischen und wirtschaftlichen Verbindungen zwischen der Europäischen Union und deren östlichen Nachbarn.