Die Grenzlogistik des Dreiländerecks Ukraine-Moldau-Rumänien im geopolitischen Spannungsfeld

Die Grenzlogistik des Dreiländerecks Ukraine-Moldau-Rumänien im geopolitischen Spannungsfeld

LKW-Stau an der Grenze zwischen Rumänen, Moldau und der Ukraine. Claudia Eggart

Dieses Projekt ist ein Teil des Verbundprojekts Zwischenräume leben: Individuelle Anpassungsstrategien und Erwartungshorizonte in der Ukraine und Moldau (LimSpaces).


Externe Kooperationspartner*innen: Dr. Sophie Lambroschini (Centre Marc Bloch, Berlin), Dr. Sandra Parvu, ENSA Paris-La Villette

Projektbeschreibung

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat lokale und überregionale Infrastruktur- und Handelsnetzwerke teils zerstört und teils neu formiert. Die kriegsbedingten Einschränkungen der Hafenoperationen in Odesa, einer der wichtigsten Umschlagplätze für Getreideausfuhren und Güterimporte in der Ukraine, erforderten eine großflächige Restrukturierung des Handelsverkehrs. Vormals verschlafene Grenzübergänge und Hafenstädte verwandelten sich über Nacht in geostrategische Nadelöhre für die Abwicklung global vernetzter Getreide- und Ölexporte. Während das mediale Interesse vorwiegend den verheerenden Konsequenzen eines Ausfuhrstopps galt, werden lokalen Infrastrukturherausforderungen und den Anstrengungen der Logistikarbeiter*innen nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Unser Projekt untersucht deshalb insbesondere, wie sich das geopolitische Spannungsfeld in der Region auf die gelebten Erfahrungen von Logistikarbeiter*innen und urbanen Räume auswirkt. Wir wollen allerdings einer einseitigen Leseweise von Einflussnahme entgegenwirken und argumentieren, dass sich lokale und globale Konditionen gegenseitig bedingen. Thematisch konzentrieren wir uns dabei nicht nur auf die aktuelle Kriegssituation, sondern auch auf langfristige Veränderungen vor allem der Zoll- und Grenzinfrastruktur an der Donau, wo die Ukraine, Moldau und Rumänien aufeinandertreffen.

Methodologisch nähern wir uns diesen Fragen interdisziplinär, indem wir in kooperativer Feldforschung, insbesondere in der Grenzregion zwischen der Ukraine, Moldau und Rumänien, Perspektiven aus der Architektur (Sandra Parvu, ENSA Paris-La Villette), Wirtschaftssoziologin (Sophie Lambroschini Centre Marc Bloch, Berlin) und Sozialanthropologie (Claudia Eggart, ZOiS) verbinden. Auf Basis dieser Einblicke setzen wir grenzübergreifende Infrastrukturen und alltägliche ökonomische Strategien in Bezug zu geopolitischen und geoökonomischen Transformationen in der Region. Während diese oft als „liminal“ oder „dazwischen“ bezeichnet wird, möchten wir anhand unserer Forschung die Aufmerksamkeit auf die gelebte Geopolitik lenken, die der materiellen und immateriellen Beschaffenheit dieser Grenze inhärent ist. Ziel ist es, ein besseres Verständnis für die Vielzahl an Akteur*innen und Faktoren zu erarbeiten, die das Spannungsfeld zwischen Wandel und Beständigkeit dieses Grenzgebiets prägen.

Methodik

  • Diskursanalyse: kritische Textanalyse der Grundsätze, Ziele und Handelsmaximen der europäischen Zollunion
  • Interviews: Expert*inneninterviews mit Zollangestellten, Regierungsmitgliedern, Mitgliedern internationaler Organisationen und Logistikarbeiter*innen
  • Ethnographie: wiederholte Aufenthalte an der Grenze, beim Zoll und in den urbanen Ballungsgebieten rund um die Donauhäfen in Moldau und Rumänien

Kernfragen

  • Welche Bedeutung hat die Überschneidung lokaler und globaler Dynamiken in der Grenzregion für unser Verständnis von Grenzdynamiken im Allgemeinen?
  • Welche Auswirkungen hat der Krieg gegen die Ukraine auf die Mobilität von Personen und Waren in der Region? Wie wird diese Veränderung von Logistikarbeiter*innen erfahren?
  • Was zeigen die grenzübergreifenden Infrastrukturen in der Region über vergangene und gegenwärtige geopolitische Vernetzungen?
  • Welcher Zusammenhang besteht zwischen existenten und imaginären Infrastrukturnetzwerken und geopolitischen Vorstellungswelten?