Zwischenräume leben: Individuelle Anpassungsstrategien und Erwartungshorizonte in der Ukraine und Moldau (LimSpaces)
Zwischenräume leben: Individuelle Anpassungsstrategien und Erwartungshorizonte in der Ukraine und Moldau (LimSpaces)
LimSpaces wurde gemeinsam von Wissenschaftler*innen des ZOiS und des Centre national de la recherche scientifique (CNRS) in Frankreich konzipiert. Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Agence nationale de la recherche (ANR) für eine Laufzeit von 36 Monaten gefördert. Am Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS) erfolgte die Antragstellung durch Senior Researcher Dr. Sabine von Löwis und am CNRS durch die Forschungsdirektorin Dr. Béatrice von Hirschhausen (UMR 8504 Géographie-cités). Als weitere Partnerinstituion ist das Centre Marc Bloch in Berlin beteiligt. Das Projekt sieht darüber hinaus Kooperationen mit Forschenden in Moldau und der Ukraine vor. Von den insgesamt vier Projektclustern werden am ZOiS zwei Teilprojekte bearbeitet.
Projektbeschreibung
In diesem Projekt beschäftigen wir uns mit dem Alltag von Menschen in den Grenzregionen der Europäischen Union (EU) – Moldau und der Ukraine – wo lokale Bedingungen häufig von politischer wie ökonomischer Instabilität geprägt sind. Diese stehen im Widerspruch zu Transformationsszenarien, die von den Regierungen und internationalen Entwicklungsinstitutionen (Internationaler Währungsfonds, Weltbank, EU) beschworen werden.
Auf empirischer Ebene untersuchen wir daher individuelle und kollektive Praktiken und Strategien im Umgang mit Unsicherheiten. Wir betrachten, wie Menschen Bildungs- und Erwerbsentscheidungen treffen. Alltagsentscheidungen verstehen wir dabei als Resultat verschiedener Erfahrungsräume und Erwartungshorizonte. Erwartungshorizonte speisen sich aus vergangenen Erfahrungen und prägen gleichzeitig Zukunftsperspektiven. Ziel ist es, zu verstehen, welche Rolle dabei die Vergangenheit, Normen und Regelungen spielen und inwieweit diese von supranationalen Organisationen beeinflusst werden. Wir zeigen, wie Bedrohungen (zum Beispiel Krieg und Konflikt), geographische Lage, Versorgung und Einkommen die Handlungsräume von Menschen gestalten.
Diese Prozesse lassen sich nur durch detaillierte Feldforschungen und den Kontakt mit den Menschen in ländlichen und städtischen Räumen untersuchen. Wir führen entsprechend mehrere Feldforschungen mit qualitativen Interviews in Moldau und der Ukraine und ihren umstrittenen Regionen, dem De-facto-Staat Transnistrien und den selbsternannten Volksrepubliken Lugansk und Donezk, durch.
Auf theoretischer Ebene ergänzen wir das Konzept des „Zwischenraums“ um eine zentrale Perspektive – die der Bevölkerungen in Grenzregionen Europas. Wir verwenden den Begriff „Zwischenraum“ kritisch, wenn wir diesen als liminalen Raum annehmen. Gemeint ist damit, dass politische Normen, spezifische Wirtschaftsprinzipien oder kulturelle Werte fluide sind und Raumvorstellungen der Akteure hervorbringen, die nicht nur durch Machtstrukturen „von oben“ markiert sind, sondern auch im Alltag auf der Mikroebene durch individuelle und kollektive Akteure geprägt werden.
Unser Fokus auf multiple Verflechtungen ermöglicht neue Perspektiven auf Transformationsprozesse und die Gestaltungsräume der Akteure (agency) in ihnen. Wir tragen so zu einem besseren Verständnis des Zusammenhangs zwischen Entwicklungsdiskursen und Politiken und den Auswirkungen dieser auf die Gesellschaften der Ukraine und Moldaus bei. Diese Perspektive wird für die Debatten zu Transformationsprozessen in Zentral- und Osteuropa und die Gestaltung adäquater politischer Programme, wie zum Beispiel der Nachbarschaftspolitik von zentraler Bedeutung sein.
Auf akademischer Ebene werden es die bereits zu Akademiker*innen der Region bestehenden Kontakte ermöglichen, transnationale Forschungsnetzwerke aufzubauen.
Kernfragen
- Inwiefern ergänzen, bestätigen, konterkarieren, unterlaufen oder behindern sich elitäre Diskurse und lebenspraktische Anpassungsstrategien gegenseitig?
- Wie wirken sich diese auf die familiären und beruflichen Zukunftserwartungen der Bevölkerungen aus?