Dr. Nina Frieß

Imaginierte Gemeinschaften in postsozialistischen Kinderliteraturen

Dr. Nina Frieß

Imaginierte Gemeinschaften in postsozialistischen Kinderliteraturen

Illustration von Darya Moroz aus der Anthologie „Die Geheimnisse des Landes der Berge und der Steppen. Eine literarische Reise durch Kasachstan“ (2022), hrsg. v. Étage und Chevron. Chevron ǀ Étage ǀ D. Moroz

Projektbeschreibung

Nach 1990/91 und dem Wegfall der kommunistischen Staatsideologie standen die unabhängig gewordenen Staaten des sozialistischen Blocks vor der Herausforderung, vormalige Identitätsmuster zu evaluieren und Identitätsangebote zu entwickeln, die Zugehörigkeiten zu den neu geschaffenen Gemeinschaften definieren sollten. Kulturschaffende gehörten bei diesen Aushandlungsprozessen neben Politiker*innen, Historiker*innen und zivilgesellschaftlichen Gruppierungen zu den zentralen Akteur*innen.

In ihrem Projekt untersucht die Slavistin Nina Frieß kinderliterarische Texte, die seit 1991 in postsozialistischen Ländern entstanden sind und bislang in der Forschung zu Identitätsbildungsprozessen wenig berücksichtigt wurden. Das Potenzial von Literatur, gesellschaftliche Diskurse um Identitäten abzubilden, aber auch Möglichkeiten zur Diskussion alternativer Identitätsentwürfe zu bieten, lässt sich in kinderliterarischen Texten in erhöhter Konzentration beobachten: Da Kinderliteratur neben einem unterhaltenden häufig auch einen pädagogischen Anspruch hat, finden wir in ihr „Inhalte, Werte und Weltanschauungen, die Gesellschaften für Gegenwart und Zukunft als besonders relevant erachten“ und entsprechend tradieren wollen.

Nina Frieß fragt, wie sich kinderliterarische Autor*innen nach 1991 bis in die Gegenwart mit ihrer Literatur in die Nations- und Identitätsbildungsprozesse einbringen, welche Themen und Narrative sie dabei setzen und welche Vorstellungen von Gemeinschaft sie in ihren Publikationen anlegen. Ihre These ist, dass sich Kinderliteratur mit ihren besonderen Genrekonventionen, die potenziell grenzenlose Fantasie mit einer besonderen Ästhetik vereinen, als Experimentierfeld und Diskussionsraum für alternative Gesellschaftsentwürfe eignet. In unfreien Gesellschaften, in denen gesellschaftliche Diskurse andernorts häufig überwacht und zensiert werden, kann diese Relevanz von Kinderliteratur als Freiraum in besonderem Maße nachvollzogen werden.

Methodik

  • Qualitative Textanalysen
  • Diskursanalysen
  • Expert*inneninterviews

Kernfragen

  • Wie positionieren sich kinderliterarische Autor*innen mit ihrer Literatur in den Nations- und Identitätsbildungsprozessen ihrer Länder?
  • Welche (möglicherweise auch alternativen) Gesellschaftsentwürfe finden sich in postsozialistischen Kinderliteraturen?
  • Welchen Einfluss nehmen unterschiedliche postsozialistische Staaten auf Kinderliteraturen?

Projektleitung