PD Dr. Sabine von Löwis und Prof. Dr. Gwendolyn Sasse

Flucht aus und in der Ukraine: Entscheidungen, Wege, Einstellungen, Perspektiven

PD Dr. Sabine von Löwis und Prof. Dr. Gwendolyn Sasse

Flucht aus und in der Ukraine: Entscheidungen, Wege, Einstellungen, Perspektiven

Oktober 2023, Lwiw, Ukraine: Junge Geflüchtete spielen auf dem Spielplatz eines modularen Wohnkomplexes für Binnengeflüchtete. IMAGO / ZUMA Wire

Projektbeschreibung

In einer qualitativen Langzeitstudie begleiten wir Geflüchtete aus und in der Ukraine. Ziel ist es, die Erfahrungen der Flucht und des Ankommens an neuen Orten, aber auch Fragen der Identität und Sicherheit sowie die Netzwerke und Zukunftsvorstellungen einzelner Personen im Zeitverlauf und in ihrer Tiefe zu untersuchen. Auf diese Weise werden die Akteur*innen hinter der allgemeinen Bezeichnung „Geflüchtete“ sichtbar.

Die Forschung wird in Deutschland, Polen und der Republik Moldau in den Hauptstädten und jeweils einer mittleren Stadt durchgeführt, um die Rolle nationaler und lokaler Politiken, Praktiken und kultureller Bedeutungen besser zu verstehen, die die Erfahrungen und Strategien der Menschen im Hinblick auf die Flucht, Ankunft, Integration und Rückkehr bzw. zirkuläre und weitere Migrationsbewegungen prägen. Zudem führen wir eine ähnliche Studie mit Binnengeflüchteten in Lwiw in der Westukraine durch.

Unser Interesse gilt der Frage, wie Menschen ihren Alltag angesichts staatlicher Regelungen, institutioneller Praktiken und verschiedener lokaler und transnationaler Kontexte verhandeln und welche Handlungsspielräume sie dafür nutzen. Dabei spielen die persönlichen Netzwerke in der Ukraine und am Ankunftsort eine wichtige Rolle. Neben den Notwendigkeiten des Alltags geht es uns auch um politische und soziale Einstellungen, Identitäten und die Rolle und Wahrnehmung des ukrainischen Staates und des Ankunftslandes bzw. des Ankunftsortes. Uns interessieren auch die Perspektiven auf Krieg und Frieden und die Entwicklung von Zukunftsperspektiven zwischen der Ankunft im neuen Land und einer möglichen Rückkehr oder einem längeren Verbleib außerhalb der Ukraine.

Das Projekt erhielt Anschubfinanzierung aus dem DFG-geförderten Exzellenzcluster „Contestations of the Liberal Script (SCRIPTS) und wird aus Mitteln des ZOiS unterstützt. Am ZOiS ist es in den Forschungsschwerpunkten Konfliktdynamiken und Grenzregionen sowie Migration und Diversität angesiedelt.

Kernfragen

  • Welche Erfahrungen machen die Geflüchteten von der Entscheidung, ihr zu Hause zu verlassen bis zur Ankunft am neuen Ort bzw. im neuen Land?
  • Wie verhandeln Geflüchtete ihre Position in Bezug auf ihren Zugang zu Schulbildung, Wohnraum und dem Arbeitsmarkt?
  • Wie entwickeln sich die persönlichen Netzwerke der Geflüchteten (sowohl in der Ukraine als auch am Ankunftsort)? Welche Rolle spielen dabei ukrainische Migrant*innen, Diaspora-Organisationen und andere zivilgesellschaftliche Akteur*innen?
  • Welchen Einfluss haben Krieg und Flucht auf Identitäten und die Haltung zum ukrainischen Staat?
  • Welche Vorstellungen von Frieden, Wiederaufbau und Zukunft haben die Geflüchteten?

Methodik

  • Qualitative Wiederholungsbefragung von geflüchteten Ukrainer*innen in Deutschland, Polen und der Republik Moldau (ca. 20 Tiefeninterviews pro Land im Abstand von 2-3 Monaten ab April 2023), jeweils in den Hauptstädten und ein bis zwei weiteren Städten (Deutschland: Berlin, Magdeburg, Kassel; Polen: Warschau, Rzeszów; Moldau: Chișinău, Tiraspol)

  • Qualitative Wiederholungsbefragung unter Binnengeflüchteten in Lwiw, Ukraine (ca. 20 Tiefeninterviews)
  • Mental Mapping als partizipative Methode während der Tiefeninterviews zur Erfassung von Fluchtwegen, Ankunftsräumen, Identitäten, politischen Einstellungen und Netzwerken

Das Projekt ist aus der gemeinsamen Netzwerkinitiative FORUM des ZOiS und des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) hervorgegangen. Es lehnt sich an einen Fragebogen an, der im Netzwerk entwickelt wurde, und wurde um weitere Themen ergänzt.

Projektleitung

Wissenschaftliche Direktorin
Einstein-Professorin für Vergleichende Demokratie- und Autoritarismusforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin