Expert*innenstimme

Drei deutsche Organisationen in Russland als „unerwünscht“ eingestuft

Von Tatiana Golova 28.05.2021

Am 26. Mai wurde bekannt, dass der Generalstaatsanwalt in Russland drei deutsche Organisationen neu auf die Liste „unerwünschter ausländischer Organisationen“ gesetzt hat: das Zentrum Liberale Moderne, den Deutsch-Russischen Austausch sowie das Forum Russischsprachiger Europäer. Die European Platform for Democratic Elections (EPDE) mit Sitz in Berlin ist schon seit einiger Zeit auf dieser Liste. Tatiana Golova ist Expertin für Zivilgesellschaft in Russland und ordnet diesen Schritt für uns ein.

Seit 2015 gibt es das Gesetz über unerwünschte Organisationen in Russland. Welche Konsequenzen sind mit einer Listung für die betroffenen Institutionen und deren Mitarbeiter*innen verbunden?

Die „Organisationen non grata“ müssen sofort ihre Tätigkeit in Russland einstellen, ihre Konten und ihr Eigentum werden blockiert, ihre Vertretungen geschlossen. Sie dürfen auch keine Organisationen in Russland mehr gründen. Gerade für NGOs, die ihren Schwerpunkt in der internationalen Zusammenarbeit und im Austausch zwischen zivilgesellschaftlichen Akteuren haben, wie der seit 1992 bestehende Deutsch-Russische Austausch e.V., ist das ein schwerer Schlag. Darüber hinaus werden sie zu einem Risiko für andere Organisationen und Aktivist*innen in Russland.

Was bedeutet das Gesetz konkret für russische Organisationen und Personen?

Die Zusammenarbeit mit „Unerwünschten“ kann nicht nur Stigmatisierung bedeuten, sondern auch zur Kriminalisierung der Aktivist*innen führen – bis zur mehrjährigen Haftstrafe. Diese Möglichkeiten wurden von russischen Behörden bisher vor allem dafür genutzt, um gegen „Otkrytaja Rossija“ vorzugehen (obwohl nicht dieses russische Netzwerk, sondern das in Großbritannien registrierte Otkrytaya Rossia von Mikhail Khodorkovsky 2017 zur „unerwünschten Organisation“ erklärt wurde). So wurde die Aktivistin Anastasija Schevchenko nach einem langjährigen Prozess zu vier Jahren auf Bewährung verurteilt. Gestern hat „Otkrytaja Rossija“ seine Auflösung bekannt gegeben, um seine Aktivist*innen angesichts geplanter Verschärfungen des Gesetzes über unerwünschte Organisationen zu schützen.

Wie steht es aktuell um die Handlungsräume der Zivilgesellschaft in Russland?

Indem es sich gegen ausländische und internationale NGOs richtet, komplementiert das Gesetz über unerwünschte Organisationen die erst vor kurzem wieder erweiterte Gesetzgebung zu einheimischen „ausländischen Agenten“. Die EPDE , ein Netzwerk von Wahlbeobachtungsprojekten, war 2018 die erste „unerwünschte“ NGO mit Sitz in Deutschland. Auch die neuesten Erklärungen sind im Kontext bevorstehender Wahlen zu sehen: Nicht nur wird das passive Wahlrecht von Unterstützer*innen der Opposition weiter eingeschränkt, auch soll das vorpolitische Feld öffentlicher Diskussion und Initiativen noch stärker eingeengt und kontrolliert werden. Das größte Problem dürfte sein, dass diese Änderungen über die Wahlen hinaus bestehen bleiben – so wie ein neues Gesetz, das jegliches öffentliche Bildungsangebot genehmigungspflichtig macht.

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