Engagiert für die Zukunft der Ukraine: Report zeichnet unterschiedliche Wege geflüchteter Jugendlicher nach
Die junge Generation ist ein wichtiger Bestandteil des ukrainischen Wiederaufbaus. Anhand von zwei kontrastierenden Fallstudien untersucht ein neuer ZOiS Report die unterschiedlichen Lebenswege junger Menschen, die wegen des Krieges die Ukraine verlassen haben und trägt zu einem besseren Verständnis ihrer Lebenssituation, ihrer Entscheidungen und ihrer Handlungsspielräume bei.
Von den 2,2 Millionen ukrainischen Geflüchteten, die in 11 mittel- und osteuropäischen Ländern leben, sind etwa 30 Prozent junge Menschen im Alter zwischen 18 und 34 Jahren. Sie sind in einer entscheidenden Phase ihres Lebens geflüchtet. Ihre Erfahrungen und ihr Selbstverständnis und auch ihre Absichten, entweder nach Hause zurückzukehren oder sich vom Ausland aus zu engagieren, sind mitentscheidend dafür, wie sie die Zukunft der Ukraine mitgestalten werden.
Um dieses Thema zu beleuchten, untersucht ein neuer ZOiS Report von Sabine v. Löwis, Gwendolyn Sasse und ZOiS Visiting Fellow Inna Volosevych (Ukraine Research Network@ZOiS, UNET) die unterschiedlichen Lebenswege junger Ukrainer*innen, die nach Polen geflüchtet sind und derzeit in Warschau leben. Die Studie präsentiert qualitative Daten, die mittels halbstrukturierter, wiederholter Interviews über einen Zeitraum von einem Jahr gesammelt wurden. Sie werden ergänzt durch Daten aus Umfragen unter geflüchteten Personen, die von der ukrainischen Forschungsagentur Info Sapiens durchgeführt wurden und die einen zusätzlichen Kontext schaffen.
Zwei kontrastierende Fallstudien
Die beiden individuellen Lebenswege, die in diesem ZOiS Report detailliert nachgezeichnet werden, zeigen, dass geflüchtete junge Ukrainer*innen verlässliche soziale Netzwerke aufbauen können, die es ihnen ermöglichen, sich an ihren neuen Wohnorten einzuleben. Die Fortsetzung der Hochschulbildung erweist sich als Weg zur Integration, während eine unvollständige Ausbildung, fehlende Weiterbildungsmöglichkeiten und mangelnde Berufserfahrung Hindernisse für die Integration sein können.
Beide Personen in dieser Studie wollen aktiv am Wiederaufbau der Ukraine mitwirken. Viktor plant, sofort zurückzukehren, wenn er frei reisen könnte (und somit nicht die Möglichkeit bestünde, eingezogen zu werden), ungeachtet der Zerstörungen in seinem Land. Angesichts der Beschränkungen für männliche Bürger verbindet er seine Zukunft mit der der Nachkriegsukraine. Olena konzentriert sich unterdessen auf ihre berufliche und kreative Karriere. Sie glaubt, diese außerhalb der Ukraine am besten aufbauen zu können. Gelegentlich kehrt sie zurück und ist von der Idee angetrieben, vom Ausland aus zur Entwicklung der ukrainischen Kulturszene beizutragen.
Engagiert für die Zukunft der Ukraine - mit unterschiedlichen Zeithorizonten
Die hier vorgestellten qualitativen und quantitativen Daten zeigen, dass junge Ukrainer*innen ein starkes Engagement für eine aktive Rolle beim Wiederaufbau der Ukraine verbindet. Doch ihre Vorstellungen darüber, wie dies geschehen soll, sind sehr unterschiedlich. Einige befinden sich in einer Warteschleife und warten auf die Möglichkeit, zurückzukehren, andere bauen ihr Leben und ihre Karriere im Ausland auf und wollen von dort aus am Wiederaufbau der Ukraine mitwirken. „Die politische Herausforderung für die Ukraine und ihre internationalen Partner besteht darin, beide Herangehensweisen zu ermöglichen, anstatt auf der Grundlage einer engen Definition von Humankapital davon auszugehen, dass die jungen Menschen in großem Maßstab zurückkehren werden“, schreiben die Autorinnen.
Die detaillierten qualitativen Daten, die in diesem Report zum ersten Mal ausgewertet werden, stammen aus einer ZOiS-Längsschnittstudie, die den Werdegang geflüchteter Ukrainer*innen (nicht nur Jugendlicher) in Polen, Deutschland und der Republik Moldau untersucht. Seit dem Frühjahr 2023 wurden dieselben Personen in der Hauptstadt jedes Landes und in einer kleineren Stadt oder Gemeinde fünfmal befragt.